Loslassen – warum es eigentlich um dich geht

Wenn wir über Loslassen sprechen, denken die meisten zuerst an Menschen oder Dinge: den verstorbenen Partner, die alte Wohnung, den Job, der weg ist.
Aber ganz ehrlich: Das ist nur die Oberfläche.

Tiefer drunter geht es um etwas viel Intimeres – um eine Version von dir selbst, die es so nicht mehr geben kann.

Nicht sie loslassen – sondern den „Ich-mit-ihr“-Teil in mir

In meinem Beispiel:
Ich hatte fest erwartet, mein Leben mit meiner Frau zu verbringen. Das war kein kleiner Wunsch, das war mein Lebensentwurf. „Wir beide, bis zum Schluss.“
Dann ist sie von heute auf morgen gegangen. Kein langsamer Übergang, kein sanftes Ausblenden. Weg. Endgültig.

Kognitiv ist die Sache klar:
Sie kommt nie wieder. Punkt.
Da gibt es keine Diskussion, keinen Plan B.

Und trotzdem hängt etwas in mir fest. Nicht nur die Erinnerung an sie – die ist kostbar und darf bleiben.
Was weh tut, ist dieser Teil in mir, der immer noch in der alten Version meines Lebens wohnt.
Dieser Teil, der innerlich noch sagt:
„Es wäre so schön gewesen, wenn… wir jetzt gemeinsam… wenn wir irgendwann…“

Und genau da liegt der Kern vom Loslassen:
Ich muss nicht SIE loslassen.

Ich darf die Version von MIR loslassen, die ich nur in diesem Leben mit ihr sein konnte.

Identität: Wer bin ich ohne dieses „Wir“?

Loslassen kratzt an unserer Identität.
Vorher war da vielleicht: Partner. Ehemann. Wir-Mensch. Teil eines Teams. Mit gemeinsamen Plänen, Bildern, Routinen.

Wenn dieser Mensch geht, reißt es nicht nur uns selbst aus deinem Alltag, sondern auch dich aus der Rolle, die du mit ihr hattest.

Das macht Loslassen so brutal schwer:
Es fühlt sich an wie ein Verrat an der Vergangenheit, wenn du anfängst, dein „Ich“ ohne dieses „Wir“ zu definieren.

Ein Teil in dir hält fest, weil er denkt:
„Wenn ich mich verändere, vergesse ich sie.“ Aber das stimmt nicht. Du vergisst sie nicht. Du hörst nur auf, dein aktuelles Leben nach einem Drehbuch zu leben, das längst keine Fortsetzung mehr bekommen kann.

Kopf weiß Bescheid – Herz hängt hinterher

Das Spannende (und Nervige) daran:
Dein Kopf ist oft viel weiter als dein Herz.

Dein Kopf sagt:
„Ich weiß, dass sie nicht wieder kommt ist. Ich weiß, das Leben geht weiter. Ich weiß, ich kann planen.“

Dein Herz sagt:
„Ist mir egal. Ich will dieses alte Bild noch mal fühlen. Ich will noch einmal in der Vorstellung leben, dass wir alt werden, dass wir…“

Und dann kommen diese Momente: Ein Lied. Ein Geruch. Ein Ort. Und plötzlich bist du nicht mehr im Heute, sondern im „Was wäre gewesen, wenn…“.

Das ist kein Zeichen von Schwäche. Das ist dein System, das versucht, eine Identität festzuhalten, die sich sicher angefühlt hat.

Loslassen heißt nicht: „Es war egal“

Vielleicht der wichtigste Punkt:
Loslassen heißt nicht, dass es dir egal war.
Loslassen heißt nicht, dass du sagst:
„War wohl doch nicht so wichtig.“

Loslassen heißt:
Ich akzeptiere, dass diese Geschichte an dieser Stelle fertig erzählt ist. Und ich weigere mich, mein restliches Leben in einer Wiederholungsschleife der Vergangenheit zu verbringen.

Du entehrst niemanden, wenn du dich veränderst.
Du entehrst dich selbst, wenn du in einem Leben hängen bleibst, das es nicht mehr gibt.

 

Die unbequeme Frage: An wem hängst du – an dem Menschen oder an der Version von dir?

Das tut ein bisschen weh, aber sie ist ehrlich:
Hängst du wirklich nur an dem Menschen?
Oder hängst du an der Version von dir, die du an seiner Seite warst?

– Der, der gebraucht wurde.
– Der, der eine klare Rolle hatte.
– Der, der genau wusste, wie die nächsten Jahre ungefähr aussehen könnten.

Diese Version von dir ist nicht „falsch“.
Sie war real, sie war wichtig, sie war schön.
Aber sie ist an diesen Menschen gekoppelt. Und wenn der Mensch geht, bleibt diese Version in der Vergangenheit.

Loslassen bedeutet also:
Ich verabschiede mich von der Identität, die nur in dieser Konstellation möglich war.

Das ist kein kleiner Schritt. Das ist eine innere Beerdigung:
Nicht nur um die Person zu trauern,
sondern um das Leben, das mit ihr nie passieren wird.

Wie lässt man eine Identität los?

Spoiler: Es gibt keinen Knopf.
Aber es gibt Bewegungen, Richtungen.

Es beginnt damit, dass du dir ehrlich eingestehst:
„Ja, ich halte an einer alten Version meiner Geschichte fest.“
Nicht, um dich zu verurteilen, sondern um dir auf die Schliche zu kommen.

Dann braucht es Mut, Fragen zu stellen wie:

  • Wer bin ich, wenn ich nicht mehr der Partner/die Partnerin von … bin?
  • Welche Teile von mir gibt es auch ohne dieses „Wir“?
  • Welche neuen Anteile könnten entstehen, wenn ich aufhöre, innerlich in diesem alten Film zu wohnen?

Und ja, das fühlt sich am Anfang leer an. Weil da eine Lücke ist, wo früher ein „Wir“ war. Diese Leere ist nicht das Problem. Sie ist der Raum, in dem Neues überhaupt erst entstehen kann.

Erinnern statt festhalten

Loslassen heißt nicht, die Tür zuzuschlagen und so zu tun, als wäre nichts gewesen.
Loslassen heißt:
Die Erinnerung darf bleiben – aber sie fährt nicht mehr dein Leben.

Du darfst lachen, wenn du an gemeinsame Momente denkst.
Du darfst weinen, wenn es weh tut.
Du darfst wütend sein, dass dir dieses Leben genommen wurde.

Und gleichzeitig darfst du dich fragen:
Wie will ich heute leben – mit all dem, was passiert ist?

Die Vergangenheit ist dein Fundament, nicht dein Käfig.

Am Ende läuft es auf diese Entscheidung hinaus

Die Entscheidung lautet nicht:
„Liebe ich sie noch oder nicht?“
Die Entscheidung lautet:

Bin ich bereit, die Version von mir zu verabschieden, die nur mit ihr existieren konnte – damit eine neue Version von mir entstehen kann, die nicht gegen die Realität arbeitet, sondern mit ihr?

Das ist Loslassen. 
Nicht weichgespült, nicht esoterisch verpackt,  sondern radikal ehrlich:

Du lässt nicht sie los. Du lässt das Bild los, wer du mit ihr hättest sein können.
Und du fängst an herauszufinden, wer du jetzt sein kannst.

Und vielleicht ist genau heute der Moment, an dem du nicht mehr nur um das alte Leben trauerst, sondern beginnst, das neue bewusst zu wählen.
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